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„Singt dem Herrn ein neues Lied“
heißt es immer wieder in den Psalmen und Hymnen des Alten Testamentes, und in der Offenbarung des Johannes lesen wir, dass die Einhundertundvierzigtausend aus allen Stämmen Israels ein neues Lied sangen vor dem Thron des Lammes. Bei so viel Ermunterung und Aufforderung zum neuen Lied sollte man meinen, neue Musik, neues Liedgut habe in der Kirche einen leichten Stand gehabt. Weit gefehlt. Im Jahre 1563 befasste sich etwa das Konzil von Trient mit der Kirchenmusik, und Papst Pius IV wollte beschließen lassen, nur noch der gregorianische Gesang dürfe in der Liturgie gesungen werden. In dieser Lage, so berichtet die Legende, bestürmten die Vertreter der neuen (mehrstimmigen) Kirchenmusik den so angesehenen Giovanni Pierluigi da Palestrina, eine Musik zu schreiben, so fromm, so innig, dass auch die Gegner der neuen Musik von der Unbedenklichkeit, ja Würde dieser Musik überzeugt würden. Zunächst sperrte sich Palestrina gegen dieses Ansinnen. Dann aber habe eine göttliche Inspiration ihm eine neue Musik eingegeben. Er komponierte eine Messe zu sechs Stimmen, heute bekannt als Missa Papae Marcelli; und dieses Werk habe den Widerstand gegen das neue Lied gebrochen.

Dabei bedeutete die neue Musik damals einen gewaltigen Umbruch: Statt des einstimmig gesungenen Chorals nun auf einmal mehrstimmiger Gesang mit strengerem Rhythmus, mit Harmonien in Akkorden. Nun war der Schritt getan zu einer Entwicklung bis hin zu den großen Messkompositionen, die zu den Meisterwerken der Musik gehören.

(Aber auch in späteren Zeiten gab es wackere Streiter gegen neue Musik in der Kirche. Eine solche Bewegung aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist unter dem Begriff des Cäcilianismus unselig bekannt geworden. Da glaubte man unter Berufung auf die hl. Cäcilia, die sich nicht dagegen wehren konnte, einzig die Kompositionsform des 16. Jahrhunderts als liturgieförmig ansehen zu dürfen. Also fort mit der Wiener Klassik, fort mit Orgelbegleitung oder gar Orchestermessen. Das Ergebnis war eine bedauerliche Verarmung zugunsten eines weitgehend sentimentalen Kitsches, der noch weit in das 20. Jahrhundert hineingewirkt hat.) *

„Singt dem Herrn ein neues Lied!“ diese Aufforderung ist in den letzten Jahrzehnten, nachhaltig unterstützt durch die Liturgiereform des II. Vatikanums, in allen Teilen der Welt aufgegriffen worden. In wohl allen Gemeinden fand das neue Lied eine freudige Aufnahme. Auch da manche Vorbehalte, auch da mancher Protest gegen zu „Weltliches“, aber allgemein ist ein gewisser Schatz neuen Liedguts vorhanden. Natürlich ist nicht alles gelungen, manches nur sehr bedingt liturgiefähig; aber was wir auch feststellen können, es gibt einen lebendigen Ausleseprozess, der schon manches Un- oder Halbgares wieder hat verschwinden lassen.

Und Neues kommt auf uns zu: Eine Neuauflage des „Halleluja“ wird bald erscheinen, ein neues Gotteslob ist in Arbeit. Da werden neue Lieder uns nahe gebracht und alte nicht übernommen werden. Es wäre schade, wenn Gemeinden nur bei ihrem alten Liedschatz bleiben und sich der Herausforderung durch neue Lieder verschließen würden. Hier könnten auch unsere Chöre einen wichtigen Dienst übernehmen; denn wie heißt es: „Der Gemeindegesang ist die Visitenkarte des Kirchenchores.“ 
  (H. P.)

* Gegenüber der RW-Ausgabe ergänzt